1. Montessoripädagogik im Allgemeinen

Seit dem Schuljahr 2018/19 hat sich die Private Realschule Boltenheide entschieden, ab der 5. Klasse den Unterricht in Anlehnung an die Reformpädagogin Maria Montessori zu gestalten.

Ausgehend davon, dass das vom Lehrer angeleitete Lernen und auch das von den SuS selbständig gesteuerte Lernen notwendig und wichtig sind, sollen an unserer Schule beide Lernformen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Für eine Schule, die sich im Konzept das Leben von unterschiedlichen Kulturen und Toleranz zur wichtigsten Aufgabe gemacht hat, stellt die Montessoripädagogik eine gute und sinnvolle Möglichkeit dar, den Unterricht so zu organisieren, dass sich die SuS auf ihre eigene Weise aktiv mit den Unterrichtsthemen auseinander setzen können. In vielerlei Hinsicht entspricht die Pädagogik Maria Montessoris, die einen alternativen Ansatz zur traditionellen Bildung von Kindern und Jugendlichen entwickelt hat, dem unserer Schule zugrundeliegenden Menschenbild und Erziehungskonzept. Maria Montessori konzentrierte sich unmittelbar an den Bedürfnissen des Kindes und entwickelte auf der Basis dieser persönlichen, pädagogischen  Erfahrung folgende Prinzipien:

  1. Das Kind soll in seiner Persönlichkeit geachtet und es als ganzer, vollwertiger Mensch angesehen werden.
  2. Pädagogen sollen dem Kind helfen sich zu entwickeln und zu entfalten, indem man ihm Raum für freie Entscheidungen gibt und ihm hilft, selbständig zu denken und zu handeln; dabei soll man dem Kind die Gelegenheit  bieten, dem eigenen Lernbedürfnis zu folgen; denn Kinder wollen nicht irgendetwas lernen, sondern zu einer bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes (sensible Phasen).
  3. Pädagogen sollen das Kind dabei unterstützen, Schwierigkeiten zu überwinden statt ihnen auszuweichen.

Daraus ergeben sich, allgemein gesehen,  folgende Grundlagen der Montessoripädagogik: 

  • Selbständiges Lernen in einer vorbereiteten Umgebung
  • Kooperatives Arbeiten im Team
  • Längere Konzentration auf ein Thema
  • Methode der Freien Arbeit
  • Freiheit durch selbstbestimmtes Lernen und durch Ordnung
  • In-Beziehungen-Setzen von Lerngegenständen.

Grundlage des Lernstoffes sind auch hier die Kernlehrpläne der einzelnen Fächer, nur unter anderen alternativen Unterrichtsbedingungen. In der Montessoripädagogik werden verstärkt Methoden und Sozialformen eingesetzt, die das freie und individuelle Arbeiten unterstützen. So werden die SuS zu mehr Eigenverantwortung und Selbständigkeit erzogen und bekommen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess. Sie erlernen damit über die fachlichen Inhalte hinaus wichtige Soft Skills, die im späteren Leben unabdingbar für eine erfolgreiche Berufsausübung  sind.   

Maria Montessori entwickelte ihre pädagogischen Erziehungsideale für Kinder vorwiegend im Grundschulalter bis zu Klasse 6. In der weiterführenden Schule muss dieses Lern- und Erziehungskonzept erweitert werden, um die Bildungsziele und Entwicklungsphasen der älteren SuS miteinzubeziehen. 

Dazukommen muss besonders ein weiter entwickeltes Konzept der „Freien Arbeit“, denn im Jugendalter treten planbewusstes Lernen, Bewältigung von Gemeinschaftsaufgaben, Arbeit in Gruppen, Durchführung von Projekten, Vortrag und Diskussion sowie das studienmäßige Lernen stärker in den Vordergrund. 

Bei den Konsequenzen, die wir aus Maria-Montessoris Erfahrungen des sozialen Lebens ziehen, lassen wir uns von ihren Kernanforderungen an eine „Jugendschule“ leiten:

  • Einbindung des außerschulischen Lebens 
  • Gelegenheit zu sozialen Erfahrungen und sozialer Arbeit
  • Berufsorientierung
  • Erfahrbarkeit von Freiheit und Verantwortung

Ein weiteres wichtiges Element der Montessoripädagogik ist “der Schlüssel zur Welt” (M. Montessori), d.h. Schule soll, muss sich nach außen öffnen. Dazu dient vor allem Englisch als Verständigungssprache. Diese “Schlüssel” können Klassenfahrten, Sprachreisen nach England/Irland bzw. Schüleraustauschprogramme sein. Ein wichtiger Baustein stellt auch das Internet dar, mit dem wir versuchen, durch den Ausbau von Kontakten zu anderen Schulen das europäische Bewusstsein zu stärken.

2. Montessoripädagogik im Unterricht unserer Schule

2.1 Fachunterricht

Zentraler Bestandteil unseres Schulprogramms und der Unterrichtsstruktur ist nach Einführung eines Themas durch die jeweilige Lehrkraft die Erarbeitung der Inhalte des schulinternen Lehrplans mit Hilfe von erstellten Materialien, die sich an den folgenden Prinzipien orientieren: 

  • dem Üben,
  • dem Nachvollziehen,
  • dem Erweitern des im Fachunterricht gelernten Stoffes,
  • der Pflege des persönlichen Schwerpunkts.

Voraussetzung für eine gelingende Arbeit ist eine vorbereitete Umgebung, deren wesentlicher Bestandteil das bereitgestellte Montessori – Material ist.
Ein solches Material zeichnet sich dadurch aus, dass es 

  • optisch ansprechend ist,
  • unterschiedliche Lernkanäle bietet
  • Möglichkeiten zur Selbstkontrolle bietet,
  • Lernen mit „Kopf und Hand“ ermöglicht.

Die Lerninhalte der Arbeitsmaterialien unterstützen den für das jeweilige Fach geltenden fachlichen Inhalten folgende Fähigkeiten:

  • sinnentnehmend lesen und danach handeln
  • sich informieren
  • verschiedene Techniken erproben, z.B. kombinieren, vergleichen, diskutieren, einander zuhören
  • frei sprechen
  • eigenständig Lösungsansätze bei auftretenden Problemen entwickeln

Die Lehrkraft ist im Sinne von Maria Montessori in erster Linie Beobachter des von den Schülerinnen und Schülern selbst organisierten Lernprozesses. Aus dem Beobachten ergibt sich Hilfestellung, Beratung, eventuell Korrektur.

2.2 Projektarbeitsstunden – Freie Arbeit (Jgst. 6-7)

In diesen Stunden wählen sich die SuS ein eigenes, thematisch begrenztes Thema, dass sie besonders interessiert und an dem sie arbeiten möchten. Am Ende der Erarbeitungszeit (ca. 8 – 10 Wochen) steht immer die Präsentation vor der Klasse. 

Nach einem vorher zwischen LuL und SuS festgelegten Zeitplan recherchieren die SuS Informationen für ihr jeweiliges Thema, besorgen sich, wenn nötig, entsprechende Literatur, überlegen sich, wie sie das Vorbereitete präsentieren möchten (z.B. mit entsprechenden Programmen) und üben ihren Vortrag. So lernen sie, eigenverantwortlich zu arbeiten, Bearbeitungsfristen einzuhalten, selbständig zu handeln, eigene Entscheidungen zu treffen und mit Versuch und Irrtum umzugehen. Außerdem werden sie so an strukturiertes, wissenschaftliches Arbeiten herangeführt.

2.3 Projektarbeitsstunden – Freie Arbeit (Jgst. 8)

In der Jgst. 8 wird die eigenverantwortliche Beschäftigung mit einem Thema zeitlich und damit auch vom Umfang her erweitert. Die SuS fertigen die sog. „Große Montessoriarbeit“ an. Sie suchen sich – entsprechend ihren Fähig- und Fertigkeiten – ein Thema aus. Da in dieser Jahrgangsstufe die Berufsorientierung immer stärker in den Vordergrund tritt, ist die Aufgabe, ein Werkstück herzustellen, das auf großer Bühne präsentiert wird und dabei den Herstellungsprozess schriftlich in einer Arbeit festzuhalten (=Weiterführung der in den Jgst. 6-7  erlernten und immer wieder erweiterten Portfolioarbeit). Dazu suchen sich die SuS unter ihren Lehrern oder den Mitarbeitern der Schule ihren Mentor, der in zeitlich festgelegten Abständen die Entwicklung der Arbeit beobachtet und – wenn nötig – Hilfestellung anbietet. Innerhalb eines Jahres werden so die handwerklichen, kreativen, planerischen, aber auch wissenschaftlichen Kompetenzen geschult und gefördert. Im Verlauf dieses Schuljahres geht es ans Bauen, Hämmern, Sägen, Bohren oder Gestalten – je nachdem, was als Thema gewählt wurde. Thematisch sind keine Grenzen gesetzt – denkbar ist der Bau eines Gegenstand genauso wie das Schreiben eines Märchenbuchs.

2.4 Freie Arbeit und soziales Handeln (Jgst. 9 + 10)

Ein wichtigen Aspekt in Maria Montessoris Erziehung war die Hinführung der Kinder und Jugendlichen zum beruflichen Alltag. Dieser Aspekt findet sich in unserem Konzept in den Jgst. 9 – und 10 wieder. Da wir in unserer Schule gemäß unserer Leitgedanken die SuS zu sozialem, verantwortungsbewusstem Verhalten erziehen, wird die ProM-Arbeit auf den Kernpunkt des Sozialverhaltens fokussiert.

In der Jgst. 9 setzen sich unsere SuS in ihrer Projektarbeit kritisch mit einem gesellschaftlichen Thema auseinander, z.B. dem Erstellen von Spielen zum Thema Menschenrechte. Parallel dazu erfolgt eine „Öffnung nach außen“: In Partner- oder Gruppenarbeit soll soziales Handeln gezeigt werden (z.B. Vorlesen in Altenheimen, Grundschulen oder Kindergärten, Organisation von Maßnahmen bei Stadtfesten). Auch hierbei gilt, dass das Vorgehen schriftlich dokumentiert werden muss.

In der Jgst. 10 (1. Halbjahr) erweitert sich der Umfang und die Eigenverantwortung der sozialen Arbeit. Für die Dauer eines Vierteljahres soll sich jede Schülerin/jeder Schüler alleine und selbstverantwortlich in einem sozialen Projekt seiner Wahl engagieren. Die schriftliche Dokumentation des Prozesses bleibt erhalten, ebenso die abschließende, öffentliche Präsentation.

Das ProM-Konzept

Das ProM-Konzept der Privaten Realschule Boltenheide beruht also auf 2 Säulen:

Säule 1

Erarbeitung von durch den Lehrplan für die einzelnen Fächer vorgegebenen Unterrichtsinhalten

Säule 2

Erarbeitung von Themen und Inhalten nach freier Wahl in zusätzlichen Arbeitszeiten

Säule 3

Soziales Engagement und dessen Dokumentation